Was ist E-Learning? Auf YouTube Lernvideos konsumieren, auf einem Smartphone im Zug Quizfragen beantworten, auf der Khan-Academy Mathematikbeispiele lernen, ist das alles E-Learning?
Bratengeyer: Ja, natürlich sind das alles Facetten moderner Lehr- und Lernszenarien. Doch das Potenzial dessen was als eLearning bezeichnet wird, ist bedeutend weitreichender. Die wesentlichen Merkmale können daraus aber bereits erkannt werden sie bestehen in der Orts- und Zeitflexibilität. Die Loslösung des Lernens von einer Ortsgebundenheit und einer zeitlichen Einschränkung und die Möglichkeit des Zugriffs auf die enormen Ressourcen des Internets, erlauben Lehre und Lernen in einer neuen Dimension. Oft ruft der Begriff „E-Learning“ jedoch auch Skepsis hervor, weil das bislang gültige und zumeist unhinterfrage sokratische Dialogprinzip durch ein vermeintliches nur mit dem Bildschirm interagieren abgelöst werden würde. Vielmehr kommt allerdings ein weiters Wesensmerkmal duch E-Learning hinzu - die didaktische Vielfalt.
Wie schaut das in der Praxis dann aus?
In einem durchdachten Bildungskonzept kann ein Lernmanagementsystem zum Einsatz kommen, das eine Vielfalt an Lehr- und Lernszenarien ermöglicht und auch das Management der Prozesse erlaubt. Prozesse etwa wie zeitgesteuertes Vor- und Nachbereiten, synchrone oder asynchrone, Szenarienen wie Webinare oder Diskussionsforen, Mobile-Learning mit Quizzes und Selbsttests mit stets einsehbarer Positionsbestimmungen.
Bedeutet das automatisch, dass auch qualitativ Verbesserungen erzielt werden müssen?
Bratengeyer: Nicht automatisch, aber durchaus potenziell. Genauso wie es in traditionellen Lehrszenarien, diese „qualitative Vielfalt“ gibt, so gibt es auch beim E-Learning gute und weniger gute Konzepte, gute oder wenige gute Inhalte.
Ist nun das traditionelle Lernen endgültig passé und müssen wir uns nur noch mit dem Computer befassen?
Bratengeyer: Das beste Konzept vereinigt beide Welten. Das Schlagwort lautet „Blended-Learning“. Im Blended-Learning finden sowohl traditioneller Präsenzunterricht, als auch reines E-Learning, oder Online-Learning seinen Platz. Beispielsweise kann simples Faktenlernen sehr einfach und effizient auf digitale Art und Weise kommuniziert werden, wo hingegegen etwa der philosophische Diskurs eher zwischenmenschlicher Kommunikation vorbehalten bleibt, und für viele andere solcher Bereiche ließen sich noch angestammte Domänen benennen. Nach wie vor gilt auch in der Welt der Smartphones und Tablets „ohne Fleiß kein Preis“!
"Big Data", so lautet das Zauberwort der Digitalbranche. Sämtliche Medien berichten laufend über die große Datenflut und die Folgen für die Menschheit. Schon haben sich einige Experten auf das Thema raufgesetzt, touren mit ihren Vorträgen durch das Land und kurbeln damit auch gleichzeitig den Verkauf ihrer Bücher an. Big Data scheint ein gutes Geschäft zu sein!
Wird über Big Data gesprochen, kommen sofort riesige Zahlenmengen ins Spiel. Täglich sollen wir Menschen
an die 2,5 Quintillionen Bytes Daten erzeugen. Quintillion ist eine Ziffer gefolgt von 30 Nullen! Im Vergleich dazu, rechnet man von Beginn an der Menschheit alle Datenträger (Keilschrift, Papyrusrollen, Schallplatten, Kassetten, 3,5" Disketten usw.) zusammen, so wurden bis in das Jahr 2003 an die 5 Milliarden GB an Daten erzeugt. Nach weltweiten Berechnungen steigt das weltweite Datenvolumen jedes Jahr um 50 Prozent.
Wie kommt es nun zu dieser gewaltigen Datenflut, bzw. wer sind die Treiber dafür?
Hier ein kurzer Überblick:
Mit jeder Aktivität im Netz entstehen Datentropfen, die in den weltweit gigantischen Datenstrom eingespeist werden. Wir Menschen hinterlassen täglich unsere digitale Spuren und leisten so unseren Beitrag für die tägliche Datenflut. Jede von uns erzeugte digitale Bewegungen wird archiviert, denn das Netz vergißt nie! Besonders sensibel wird es bei personenbezogene Daten, welche stark von sozialen Medien erfasst werden und Informationen über Meinungen, Neigungen und Stimmungen der User wiedergeben und so "den gläsernen Menschen" zum Leben erwecken.
Der gläserne Mensch ist der Albtraum eines jeden Datenschützers. Internetfirmen und Staaten erhalten durch die erfassten Daten jederzeit die Möglichkeit detaillierte Profile über beliebige Personen zu erstellen und deren dunkle Geheimnisse an die Oberfläche zu bringen. Hier besteht die Gefahr, dass Politiker oder Unternehmer erpressbar gemacht werden könnten. Je mehr Informationen zur Verfügung stehen , umso leichter können Menschen kontrolliert und manipuliert werden. Ein großes Problem besteht auch darin, dass das Ausmaß der Datenerhebung durch Konzerne oder Staaten (Stichwort "NSA") kaum abzuschätzen ist. Der US-Whistleblower "Edward Snowden" hat uns durch seine Enthüllungen einen gewissen Einblick in die Praktiken der Überwachung der weltweiten Internetkommunikation gewährt.
Einer der großen Datensammler sind Smartphones und Tablets, die PCs und Notebooks vom Markt verdrängen. Die Kommunikation hat sich verändert, die Menschen wollen ständig im Netz erreichbar sein und jederzeit auf soziale Netzwerke zugreifen können. Hier kommen die Apps ins Spiel, welche für die Unternehmen die geheimen door-opener ins Datenparadies sind. Einmal eine App heruntergeladen ist man meistens schon verwanzt. Das beginnt schon damit, wenn das Adressbuch synchronisiert wird, wodurch ein Unternehmen mit einem Schlag Telefonnummern, E-Mails und Adressen von allen Kontakten erhält. Auch durch aktivierte Ortungsdienste lässt sich durch das Smartphone jederzeit der Aufenthaltsort des Handy-Eigentümers herausfinden. Längst wird das Smartphone als "das Abhörgerät in der Hosentasche" bezeichnet, aus dem sich die Unternehmen die Daten absaugen. Für die Nutzer gilt es daher, bevor eine App heruntergeladen wird, stets die AGB's zu lesen - doch wer nimmt sich dafür die Zeit?
Google, Facebook, Amazon und Apple sind die mächtigen Herrscher über die Datenströme. Diese IT-Unternehmen verfügen über unvorstellbare Ressourcen und Serverkapazitäten, mit welchen weltweit Daten gespeichert und das Userverhalten ausgewertet wird. Darüberhinaus verfügen diese Konzerne über unglaublich finanzielle Ressourcen, um einerseits Märkte zu beherrschen und andererseits den technologischen Vorsprung zu halten und weiter auszubauen. Als Beispiel, vor einigen Tagen schluckte Facebook seinen Konkurrenten WhatsApp für 19 Milliarden Dollar und sicherte sich so nebenbei auch das technische Know-how des Unternehmens. Um sich das vor Augen zu führen, die Kaufsumme für WhatsApp entspricht dem Bruttosozialprodukt ganzer Länder! Mit dieser Geldmacht können sich sämtliche IT-Konzerne eine grenzenlose Expansion in neue Märkte leisten und dabei die Spielregeln bestimmen. Und damit steigt auch die enorme Gefahr eines Machtmissbrauchs.
Eine der Hauptkritikpunkte an der ganzen Datensammlerei liegt in der intransparenten Datenverwertung. Die User verlieren die Kontrolle über persönliche Informationen und wissen schlicht und einfach nicht was mit ihren Daten passiert? Viele Unternehmen können bereits durch Big Data Entscheidungsmuster von Menschen modellieren und Vorhersagen und Schlußfolgerungen treffen. Die Schauspielerin, Angelina Jolie, hatte sich z.B. entschlossen ihre Brüste zu amputieren, da ihr durch die vorhandenen medizinischen Daten ein erhöhtes Brustkrebsrisiko diagnostiziert wurde. Aber auch bestimmte Neigungen von Menschen können bereits auf einfache Art und Weise analysiert werden. Bereits vor Jahren konnten Informatiker anhand öffentlich zugänglicher Daten und Freund-Verknüpfungen homosexuelle User ausfindig machen, die sich aber nicht geoutet hatten. Vielen Internetnutzern ist es nicht bewusst, wie sehr wir Menschen bereits durchleuchtet werden und wie sich das auf unser ganzes Leben (Berufslaufbahn, Versicherung usw.) auswirkt.
Die große Datenflut beschert uns aber auch enormen wissenschaftlichen Fortschritt, durch welchen wir globale Probleme wie Armut, Umweltzerstörung und wirtschaftliche Instabilität leichter bekämpfen können.
Zivilgesellschaften erhalten auch durch sozialen Medien eine Stimme, wodurch nicht immer die gesellschaftlichen Eliten den politischen Weg vorgeben können. Durch die Datenmengen wird in den Staaten Transparenz geschaffen und Verantwortlichkeiten aufgezeigt. Außerdem profitieren viele arme Regionen auf unserer Welt von dem Datenreichtum, denn Internet und Mobile ermöglicht es Menschen an Bildung und Informationen zu gelangen.
Unsere Gesellschaft wird sich der Frage stellen müssen, wie mit den verfügbaren Daten umgegangen wird und was mit den Daten gemacht wird? Was ist gut und schlecht, und was ist falsch und richtig? Die Kriterien dafür werden von Big Data verändert. Big Data stellt keine Fragen, sondern liefert nur die Antworten. Die Fragen stellen wir Menschen und hier muss unsere Gesellschaft zu den richtigen Fragestellungen finden. Maschinen dürfen nicht das letzte Wort haben und das Leben von Menschen kontrollieren. Jeder Mensch soll weiterhin das Recht haben über sein Leben frei entscheiden zu können.
Big Data ist das Nervensystem unseres Planeten und bietet der Menschheit große Chancen, aber auch viele Risiken. Es liegt an uns hier ein ethisches Rahmenwerk für den Umgang der weltweiten Datenflut zu schaffen und unsere Zukunft selbst zu bestimmen. Wir müssen erst lernen, wie wir mit dem Thema "Datenschutz" umgehen - ohne diese Fragestellung ist Big Data nur schwer denkbar!